Autoren
Dr. Malek Park-Said
Datum

23. März 2023

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Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der aus dem Tarifvertrag erkennbar ist“ (Urteil v. 22.2.2023 – 10 AZR 332/20; Pressemitteilung: Verschieden hohe tarifliche Zuschläge bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit).

I. Sachverhalt

Was war passiert: Ein Mitarbeiter eines namhaften Getränkeherstellers (Coca-Cola) wandte sich mit seiner Klage gegen den Konzernriesen und verlangte den für die unregelmäßige Schichtarbeit vorgesehenen höheren Differenzlohn. Der anwendbare Tarifvertrag unterschied in seinem Geltungsbereich zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit. Der Zuschlag zum Arbeitsentgelt beträgt für die regelmäßige Nachtarbeit 20 % und für die unregelmäßige Nachtarbeit  50%.

Nachdem das BAG die Sache dem EuGH vorlegte und der EuGH in der Sache keine Durchführung von Unionsrecht erblickte, war der Weg für eine rein am nationalen Recht orientierte Lösung des BAG eröffnet.

II. Blaupause des BAG zur Regelung von tariflichen Nachtarbeitszuschlägen

Die Entscheidung enthält eine Anleitung für die kollektivvertragliche Gestaltung von individuell an das Unternehmen angepassten Nachtarbeitszuschlägen. Zu berücksichtigen sind die folgenden Aspekte:

  1. Die Tarifvertragsparteien sind an den Gleichbehandlungsgrundsatz mittelbar gebunden. Sie sind verpflichtet, wesentlich gleiches ohne sachlichen Grund gleich zu behandeln.
  2. Tarifvertragsparteien haben einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Beurteilung der sachlichen Gründe, die eine Differenzierung bei der Zuschlagshöhe zwischen der unregelmäßigen und regelmäßigen Nachtarbeit im Tarifvertrag rechtfertigen.
  3. Die Tarifvertragsparteien seien nicht gehalten, ausschließlich Gründe des Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen. Sie können weitere Zwecke verfolgen.
  4. Die schlechtere Planbarkeit bei der unregelmäßigen Nachtarbeit stelle ein sachlich geeignetes Unterscheidungsmerkmal dar und rechtfertige die Ungleichbehandlung bei Entlohnung der Arbeitnehmer.
  5. Die Gründe für die Ungleichbehandlung seien durch Auslegung des Tarifvertrages zu ermitteln.
  6. Eine Angemessenheitskontrolle im Hinblick auf die Höhe der Differenz zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit erfolge nicht.

III. Bewertung

Die Erfurter Richter stärken einmal mehr den Umfang der Tarifmacht der Tarifvertragsparteien und räumen ihnen im Dunstkreis ihrer Grundrechtsbindung weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten bei der Zuschlagshöhe zum Arbeitsentgelt ein. Mit der Entscheidung bricht das BAG zurecht mit seiner Rechtsprechung aus dem Jahre 2018 (Urteil v. 21.3.2018 – 10 AZR 34/17, NZA 2019, 622). Dort vertrat es noch die Ansicht, dass eine im Tarifvertrag vereinbarte geringere Zuschlagshöhe der regelmäßig im Schichtbetrieb arbeitenden Arbeitnehmer gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Die Kehrtwende enthält zweifelsohne Signalwirkung: Eingriffe in die von Art. 9 III GG geschützte Tarifautonomie müssen aufgrund der „Richtigkeitsvermutung“ tariflicher Regelungen die Ausnahme bleiben!

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der aus dem Tarifvertrag erkennbar ist“ (Urteil v. 22.2.2023 – 10 AZR 332/20; Pressemitteilung: Verschieden hohe tarifliche Zuschläge bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit).

I. Sachverhalt

Was war passiert: Ein Mitarbeiter eines namhaften Getränkeherstellers (Coca-Cola) wandte sich mit seiner Klage gegen den Konzernriesen und verlangte den für die unregelmäßige Schichtarbeit vorgesehenen höheren Differenzlohn. Der anwendbare Tarifvertrag unterschied in seinem Geltungsbereich zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit. Der Zuschlag zum Arbeitsentgelt beträgt für die regelmäßige Nachtarbeit 20 % und für die unregelmäßige Nachtarbeit  50%.

Nachdem das BAG die Sache dem EuGH vorlegte und der EuGH in der Sache keine Durchführung von Unionsrecht erblickte, war der Weg für eine rein am nationalen Recht orientierte Lösung des BAG eröffnet.

II. Blaupause des BAG zur Regelung von tariflichen Nachtarbeitszuschlägen

Die Entscheidung enthält eine Anleitung für die kollektivvertragliche Gestaltung von individuell an das Unternehmen angepassten Nachtarbeitszuschlägen. Zu berücksichtigen sind die folgenden Aspekte:

  1. Die Tarifvertragsparteien sind an den Gleichbehandlungsgrundsatz mittelbar gebunden. Sie sind verpflichtet, wesentlich gleiches ohne sachlichen Grund gleich zu behandeln.
  2. Tarifvertragsparteien haben einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Beurteilung der sachlichen Gründe, die eine Differenzierung bei der Zuschlagshöhe zwischen der unregelmäßigen und regelmäßigen Nachtarbeit im Tarifvertrag rechtfertigen.
  3. Die Tarifvertragsparteien seien nicht gehalten, ausschließlich Gründe des Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen. Sie können weitere Zwecke verfolgen.
  4. Die schlechtere Planbarkeit bei der unregelmäßigen Nachtarbeit stelle ein sachlich geeignetes Unterscheidungsmerkmal dar und rechtfertige die Ungleichbehandlung bei Entlohnung der Arbeitnehmer.
  5. Die Gründe für die Ungleichbehandlung seien durch Auslegung des Tarifvertrages zu ermitteln.
  6. Eine Angemessenheitskontrolle im Hinblick auf die Höhe der Differenz zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit erfolge nicht.

III. Bewertung

Die Erfurter Richter stärken einmal mehr den Umfang der Tarifmacht der Tarifvertragsparteien und räumen ihnen im Dunstkreis ihrer Grundrechtsbindung weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten bei der Zuschlagshöhe zum Arbeitsentgelt ein. Mit der Entscheidung bricht das BAG zurecht mit seiner Rechtsprechung aus dem Jahre 2018 (Urteil v. 21.3.2018 – 10 AZR 34/17, NZA 2019, 622). Dort vertrat es noch die Ansicht, dass eine im Tarifvertrag vereinbarte geringere Zuschlagshöhe der regelmäßig im Schichtbetrieb arbeitenden Arbeitnehmer gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Die Kehrtwende enthält zweifelsohne Signalwirkung: Eingriffe in die von Art. 9 III GG geschützte Tarifautonomie müssen aufgrund der „Richtigkeitsvermutung“ tariflicher Regelungen die Ausnahme bleiben!

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