Der BFH hatte darüber zu entscheiden, ob die Erweiterung einer ersten Anschlussprüfung von einem (2010) auf drei Jahre (2011 und 2012) einer besonderen Begründung des Finanzamtes bedurfte. Strittig, war insoweit auf welchen Zeitpunkt abzustellen war, denn zum Zeitpunkt des Erlasses der Erweiterung der Anschlussprüfung war die vorherige erstmalige Außenprüfung der Jahr 2008 und 2009 noch nicht abgeschlossen. Lesen Sie in unserem Beitrag, ob eine gesonderte Begründung für die Erweiterung der ersten Anschlussprüfung auf drei Jahre notwendig war und wie der BFH sein Urteil rechtfertigt (BFH, Beschluss vom 03.08.2022 – XI R 32/19)
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH bei der aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 15.11.2013 (= PA 1) eine Außenprüfung für die Jahre 2008 und 2009 stattfand.
Noch während die Betriebsprüfung für 2008 und 2009 andauerte, erging am 01.12.2015 eine weitere Prüfungsanordnung (= PA 2) für die Jahre 2010 bis 2012 gegen die die Klägerin durch Einspruch vorging. Dem Einspruch wurde vom Finanzamt nicht abgeholfen. Im anschließenden Klageverfahren beim Finanzgericht nahm die Klägerin die Klage hinsichtlich der Prüfungsanordnung vom 01.12.2015 nur für das Jahr 2010 zurück und hat das Verfahren insoweit entsprechend eingestellt. Das Finanzgericht gab der nunmehr auf die Jahre 2011 und 2012 beschränkten Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 21.02.2017 im verbleibenden Umfang statt und hob die Prüfungsanordnung für 2011 und 2012 (PA 2) auf.
Mit der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung vom 04.12.2017 (= PA 3) verfügte das Finanzamt, dass die am 01.12.2015 angeordnete Außenprüfung, die wegen der Aufhebung durch das Gericht nur für das Jahr 2010 galt, auf die Jahre 2011 und 2012 erweitert werde. Es sei – so die Begründung des Finanzamtes – mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen. Die im Rahmen der Prüfung der Jahre 2008 und 2009 festgestellten Mängel der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung hätten sich auch für den Zeitraum 2010 bestätigt. Entsprechende steuerliche Würdigungen seien daher für die Jahre 2011 und 2012 ebenso wenig auszuschließen.
Die Klägerin legte gegen die Prüfungsanordnung vom 04.12.2017 (=PA 3) am 18.12.2017 Einspruch ein. Die Außenprüfung für die Jahre 2008 und 2009 wurde im Laufe des Einspruchsverfahrens am 08.06.2018 abgeschlossen. Das Finanzamt wies anschließend den Einspruch mit Entscheidung vom 12.03.2019 als unbegründet zurück.
Zeitraum der Außenprüfung
Gegen die abweisende Entscheidung des Finanzamtes klagte die Klägerin bezüglich der Prüfungsanordnung für die Jahre 2011 und 2012 vor dem Finanzgericht. Die Klage begründete sie damit, dass bei Anordnung der Erweiterung des Prüfungszeitraums die Prüfung für die Jahre 2008 und 2009 noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Prüfungszeitraum habe daher fünf Jahre betragen und verstoße deshalb gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000, der vorschreibe, dass der Prüfungszeitraum in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen dürfe.
Kein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000
Das Finanzgericht wies die Klage mit Urteil vom 11.09.2019 (Az.: 3 K 3090/19) ab. Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000, wonach in der Regel nur drei Jahre gleichzeitig geprüft werden dürften, liege nicht vor. Für die Beurteilung von Ermessensentscheidungen sei die letzte Verwaltungsentscheidung maßgeblich. Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier: die Einspruchsentscheidung v. 12.3.2019) sei die Prüfung für die Jahre 2008 und 2009 bereits abgeschlossen gewesen, so dass nach der Erweiterung des Prüfungszeitraums nur drei Jahre, nämlich die Jahre 2010 bis 2012, zu prüfen gewesen seien, was keiner besonderen Begründung i. S. d. § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 bedürfe. Es könne offenbleiben, ob die in der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 getroffenen Ermessenserwägungen ausreichend seien.
Revision der Klägerin ohne Erfolg
Der BGH bestätigte in seinem Beschluss die Rechtsprechung des Finanzgerichts, dass es sich bei der Prüfung der Jahre 2010 bis 2012 um eine zulässige erste Anschlussprüfung handelte, die den nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000 maximal zulässigen Prüfungszeitraum von drei Jahre nicht überschritt.
Die Erweiterung einer nach § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 zulässigen ersten Anschlussprüfung von einem auf drei Jahre bedarf keiner besonderen Begründung.
Erste Anschlussprüfung durch bestandskräftige Prüfungsanordnung 2
Die Anordnung einer Anschlussprüfung ist nach § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 nicht von besonderen Voraussetzungen abhängig. Insbesondere ist es nicht erforderlich, diese besonders zu begründen (BFH v. 15.04.2016 – X B 155/15, BFH/NV 2016, 1139; BFH v. 19.11.2009 – IV B 62/09, BFH/NV 2010, 595).
Da bei der Klägerin aufgrund der PA 1 die Jahre 2008 bis 2009 geprüft wurden, handelt es sich bei der durch PA 2 angeordneten Prüfung des Jahres 2010 um eine erste Anschlussprüfung. Die dagegen eingereichte Klage wurde von der Klägerin bezüglich des Jahres 2010 zurückgenommen, sodass die PA 2 im Hinblick dieses Jahres bestandskräftig wurde. Die PA 2 für die Jahre 2011 und 2012 wurde dagegen vom Finanzgericht aufgehoben.
Erweiterung der Anschlussprüfung rechtmäßig
Dem Erlass der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung vom 04.12.2017 (PA 3) steht auch nicht die Rechtskraft des Urteils des Finanzgerichts entgegen, mit dem es die PA 2 bezüglich der Jahre 2011 und 2012 aufhob, denn die Aufhebung verhindert nicht den Erlass einer neuen Prüfungsanordnung.
Das Finanzamt war berechtigt, eine neue Prüfungsanordnung (PA 3) zu erlassen, mit der es den Prüfungszeitraum der PA 2 auf die Jahre 2011 und 2012 erweiterte. Es handelte sich hierbei um eine erste Anschlussprüfung, die nunmehr drei Jahre umfasste.
Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der drei zusammenhängenden Besteuerungszeiträume nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000 soll der Prüfungszeitraum in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume erfassen. Nur ausnahmsweise kann der Prüfungszeitraum drei Besteuerungszeiträume übersteigen.
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, auf wie viele Besteuerungszeiträume sich der Prüfungszeitraum bezieht, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.
Vorliegend war die Prüfung für die Jahre 2008 und 2009 im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung am 12.03.2019 bereits abgeschlossen, sodass der Prüfungszeitraum insgesamt nur drei Besteuerungszeiträume (2010, 2011, 2012) umfasste. Somit musste die PA 3 keine besondere Begründung enthalten. Das Finanzamt hat nicht gegen § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 verstoßen.
Praxishinweis
Ist eine Prüfungsanordnung nichtig, wird sie aufgehoben oder als rechtswidrig festgestellt, dürfen die Prüfungsfeststellungen nicht für eine Korrektur der Steuerfestsetzung verwertet werden (AEAO zu § 196 Nr. 2). Daher hat die vorstehende Entscheidung große Praxisrelevanz.
Fazit
Der BFH stellt fest, dass eine Erweiterung einer zulässigen ersten Anschlussprüfung von einem Jahr auf drei Jahre keiner besonderen Begründung bedarf. Prüfungen vorheriger Zeiträume, die zwischen Anordnungen und Einspruchsentscheidung abgeschlossen wurden, ändern daran nichts. Der maximale Prüfungszeitraum bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, nicht nach derjenigen zum Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung.